Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Donnerstag, 6. Juli 2017

Rezension: Die Magie der Namen von Nicole Gozdek

Mit seinem Namen wurde einem Menschen auch seine Seele gegeben, sagten sich bereits die alten Germanen. Und den Spruch »Nomen est omen« kennt sicher jeder. Namen haben eine Bedeutung, vielleicht auch eine gewisse Macht. Nicole Gozdek hat das in ihrem Jugendfantasy-Roman »Die Magie der Namen« auf die Spitze getrieben und Namen mächtige Magie zugeschrieben.

Zu Beginn ihres Lebens sind alle Menschen bloße Nummern. Wenn sie sechzehn Jahre alt werden, wird ihnen ihr Name verliehen, der ihr ganzes weiteres Leben bestimmt. Denn wer einen Namen bekommt, wird durch die Namenmagie erst wirklich zu einer Persönlichkeit. Nummer 19 träumt davon, ein großer Name zu werden. Als seine Namenzeremonie kommt und er den Namen Tirasan Passario bekommt, ist er jedoch enttäuscht. Niemand scheint den Namen zu kennen und wirklich etwas hat sich durch die Namenmagie auch nicht verändert. Wer ist Tirasan Passario? Tir und seine Freunde brechen zum großen Namensarchiv auf, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.


Der Roman schreit förmlich danach, unter onomastischen, das heißt namenkundlichen Aspekten gelesen zu werden. Und ja, Namenkunde und nicht NamenSkunde, da fängt es ja schon an mit den Dingen, die mich fuchsig gemacht haben …

Die Leseprobe hatte sehr vielversprechend geklungen, und die Grundidee des Romans ist noch immer sehr cool. Die Umsetzung ist dagegen eher semispektakulär, fast schon ordinär und langweilig im Vergleich zu dem, was versprochen wurde.

Das Hauptproblem, das ich sehe, ist, dass der Roman nur an der Oberfläche der Namenthematik kratzt. Wir finden hier nichts Namenkundliches, das über das hinaus geht, das jeder Laie sich auch so, ohne sich jemals mit Onomastik beschäftigt zu haben, zusammenreimen kann, was ausgesprochen schade ist. Man hätte so viel mehr da raus holen können!

Das Namensystem ist schlicht, fast schon arm, da die Namengebungsmotivik ausschließlich aus Berufsnamen besteht. Die Vornamen sind nicht gegliedert, eine Bedeutung ist nicht gegeben. Man erfährt nur, dass Vornamen mit weniger Gliedern bedeutsamer sind – was auch immer das heißen mag. Zumal das anscheinend nicht konsequent durchgezogen ist. Tirasan ist angeblich ein zweigliedriger Name, wenn sich die Glieder aber nicht nach dem Augenscheinlichen, den Silben, richten, so wurde das nie angesprochen und Tirasan ist demnach eigentlich doch ein dreigliedriger Name. Wie die Vornamengebung motiviert ist, wird also schon einmal absolut nicht ersichtlich, was im Angesicht der Thematik schwach ist.

Und dann liest man noch Aussagen wie diese: »Spitznamen, die keine Namen sind«. Ja, was denn sonst? Käsekuchen? Natürlich sind Spitznamen Namen, selbst wenn man jemanden »Hinkebein« oder dergleichen nennt! Sie sind sogar so sehr Namen, das das eine der Quellen für unsere heutige Familiennamenmotivik ist.

Die Charaktere bleiben eher flach. Nachdem sie ihren Namen bekommen haben, werden sie ausschließlich von der Namenmagie bestimmt, ihre vorigen Charakterzüge scheinen nicht mehr die allergrößte Rolle zu spielen. Auch das hätte man vertiefen können, ebenso den Umstand, dass Kinder spätestens ein Jahr nach ihrer Geburt in Schulen gegeben werden. Das wird gemacht, damit ihre Eltern nicht in Versuchung geraten, ihnen einen Namen zu geben und vorzeitig die Namenmagie zu erwecken, was tödliche Folgen haben kann und daher verboten ist. Aber was macht es mit einem Kind, wenn es in einer fast schon sterilen Umgebung eines Internats aufwächst, ohne elterliche oder andere Fürsorge (denn es wirkte nicht so, als würden die Pfleger groß eine Bindung zu den Kindern aufbauen wollen) und nur mit einer Nummer, mit der ihnen jegliche Individualität abgesprochen wird. Ganz ehrlich: Warum zeigt niemand Spuren dieser Behandlung? Das prägt einen doch, selbst wenn man es nicht anders kennt!

Nebst den Charakteren können auch die Dialoge nicht immer überzeugen. Im Rahmen eines Jugendbuches finden sich hier keine völlig hochgestochenen Formulierungen, was also durchaus angemessen ist. Allerdings wirken die Dialoge streckenweise sehr aufgesetzt und gekünstelt und lesen sich nicht immer wie ein tatsächliches Gespräch.

Abgesehen von der Grundidee, die trotz der gescheiterten Umsetzung schon sehr cool bleibt, kann man dem Roman zumindest zugutehalten, dass er sich sehr schnell liest. Man ist durchaus an einem Nachmittag damit durch.

Der Roman verspricht viel und hält wenig davon. Sehr schade, denn die Grundidee hat auf jeden Fall etwas. Der Gewinner des #erzaehlesuns Awards 2016 von Piper auf Wattpad hat auf jeden Fall extrem viel Luft nach oben und nur wenig nach unten. Man sollte den Roman also auf keinen Fall unter onomastischen Gesichtspunkten lesen, denn dem kann er nicht standhalten.


Autor: Nicole Gozdek
Titel: Die Magie der Namen
Sprache: Deutsch
Reihe: Band 1
Seiten: 368
Originalpreis: 16,99€
Verlag: Piper
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-492-70387-1
Erscheinungsjahr: 2016

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